Für die künstliche Intelligenz beziehungsweise für KI-Tools gibt es viel potenzielle Anwendungsfelder. Doch wie identifiziert man die lukrativen und effektiven? Angenommen Sie erwägen mit Hilfe der KI Ihren Kundenservice zu verbessern. Dann können Sie selbstverständlich einfach loslegen, Kollegen aus den betroffenen Bereichen zu einem Workshop einladen und diese fragen: „Wer hat Ideen für den KI-Einsatz im Kundenservice?“ Ein solches Vorgehen wäre ebenso ineffektiv wie ein Brainstorming ohne (Ziel-)Vorgaben, denn um beim Ideen-suchen erfolgreich zu sein, bedarf es eines systematischen Vorgehens, das die Gedanken in eine zielführende Richtung lenkt.
Deshalb habe ich sogenannte KI-Templates entwickelt, die Sie für die Suche nach erfolgversprechenden KI-Anwendungen nutzen können – sei es
So funktionieren KI-Templates
Beim Entwickeln der Templates stellte ich mir folgende Situation vor: Eine künstliche Intelligenz bewirbt sich bei einem Unternehmen als Spezialist oder Fachkraft. Nennen wir den Bewerber KIRA; dieses Kürzel steht für „Künstliche Intelligenz, Robotik und Automatisierung“.
Das Bewerbungsgespräch könnte wie folgt verlaufen:
Personalleiter: „Was sind Ihre Stärken?“
KIRA: Dinge sehr schnell erkennen.“
Personalleiter: „Schneller als ich?“
KIRA: „Viel schneller.“
Personalleiter: „Wie viel schneller?“
KIRA: „Zehn- bis hunderttausend Mal schneller. Und ich mache weniger Fehler.“
Personalleiter: „Das klingt interessant, doch was können wir mit Ihrer Fähigkeit anfangen?“
KIRA: „Ich kann zum Beispiel Fehler in der Produktion erkennen und damit die Qualität verbessern, Sicherheitslücken identifizieren und damit Arbeitsplätze sicherer machen, Produkte zählen und damit aufwendige Inventuren verkürzen. Wenn Sie einen geeigneten Anwendungsfall für mich haben, stelle ich mein Talent gerne unter Beweis.“
Personalleiter: „Wenn ich Sie richtig verstehe, muss ich mich nur fragen: In welchen Bereichen können wir durch schnellere Objekterkennung was genau erreichen?“
KIRA: „Genau das ist die Frage.“
Aus diesem Gedankenspiel entstanden die Templates. Die 10 wichtigsten stellt ich Ihnen vor und erläutere Ihnen, wofür Sie diese nutzen können. Dabei besteht jedes Template sozusagen aus einer Frage, die Sie jeweils bezogen auf Ihre Organisation, Ihre Zielgruppe, Ihren Anwendungsfall, Ihre Ziele usw. spezifizieren müssen.
Das Fehlertemplate
Künstliche Intelligenz kann wie ein Detektiv Fehler aufspüren. Sie verwendet beispielsweise optische Sensoren oder überwacht Datenströme, um Abweichungen vom Normalzustand zu erkennen. Bei einer Abweichung schlägt die KI-Lösung Alarm. So hilft sie Unternehmen, Schwachstellen zu erkennen und zu beheben, bevor aus ihnen große Probleme resultieren. Durch die Verwendung des Fehlertemplates wird der Prozess des Identifizierens von solchen Anwendungsfällen effizienter und weniger fehleranfällig. Sie sparen wertvolle Zeit, die Sie ansonsten für das Sammeln, Analysieren und Priorisieren von Informationen benötigt würden.
Das Prognosetemplate
Künstliche Intelligenz kann auf der Basis von Musteranalysen Vorhersagen treffen. Sie kann zum Beispiel prognostizieren,
Doch was nützt es Ihnen bzw. Ihrer Organisation, wenn eine KI-Lösung solche Entwicklungen bzw. Ereignisse vorhersagen kann? Das können Sie ermitteln, indem Sie in dem Prognosetemplate die beiden Elemente „was genau?“ und „was erreichen?“ konkretisieren und dies anschließend zum Beispiel ChatGPT fragen.
Das Beschleunigungstemplate
Viele Aufgaben, die in Organisationen noch manuell erledigt werden, können künftig automatisiert werden. Denken Sie nur daran, wie viel Zeit es heute kostet, Daten aus verschiedenen Quellen manuell zusammenzutragen und daraus Berichte zu erstellen. Oder wie viele Zeit Ihr Kundenservice mit dem Beantworten von Wissensfragen verbringt.
Das Beschleunigungsmodell hilft Ihnen, Anwendungsfälle für eine Automatisierung zu identifizieren. Gehen Sie hierfür in Gedanken die Tätigkeiten durch, die in Ihrem Betrieb noch manuell ausgeführt werden. Fügen Sie in das Template dann die relevanten Aufgaben und den genauen Prozess ein. Zerlegen Sie die Prozesse dabei, in die damit verbundenen Teilaufgaben, denn: Je konkreter Ihre Angaben sind, umso besser werden die Ergebnisse.
Das Individualisierungstemplate
Früher musste man Informationen oft mühsam suchen, heute werden wir von ihnen förmlich überflutet: E-Mails, Nachrichtenportale, Social Media, die interne Unternehmenskommunikation, Messenger und vieles mehr fordern ständig unsere Aufmerksamkeit. Deshalb scannen die Empfänger der Informationen diese nur kurz bezüglich ihrer Relevanz. Im Bruchteil einer Sekunde entscheiden sie, ob sie eine Information lesen oder ignorieren.
Ob im Marketing, Vertrieb oder Kundenservice oder in der firmeninternen Kommunikation: Die Empfänger von Botschaften werden deutlich besser erreicht, wenn die Ansprache individualisiert ist; und auch die Produkte und Dienstleistungen werden zunehmend personalisiert. Die KI bietet Ihnen die Möglichkeit, Kunden und Empfänger von Botschaften deutlich individueller anzusprechen als bisher; außerdem Produkte und Dienstleistungen individueller zu gestalten. Die Frage ist jedoch: Welchen Nutzen haben Sie davon? Diese Frage hilft Ihnen das Individualisierungstemplate zu beantworten.
Das Genauigkeitstemplate
Vieles, was wir heute tun, beurteilen wir intuitiv mit unserem Wissen. Doch viele Analysen sind ungenau. So zum Beispiel, wenn ein Arzt Diagnosen aufgrund von Patientenbeschreibungen und einem Auswerten der Blutwerte erstellt. Oder wenn ein Jurist die Rechtslage aufgrund einer kurzen Literaturrecherche beurteilt. Oder wenn eine Marketingabteilung die Ergebnisse einer Kundenbefragung intuitiv interpretiert.
Oft führt ein solches Vorgehen zwar zu guten Entscheidungen, doch für Unternehmen stellt sich die Frage: Gibt es Bereiche, in denen eine Erhöhung der Genauigkeit zu besseren Ergebnissen führt? Wie wäre es zum Beispiel, wenn eine Anwaltskanzlei auf Knopfdruck eine fundierte Einschätzung aller vergleichbaren Rechtsfälle und Gerichtsurteile der Vergangenheit erhalten würde? Oder wenn beim Arzt in Sekundenbruchteilen die Blutwerte und die Krankengeschichte eines Patienten mit denen von Millionen anderer Patienten verglichen würden? Ihre Bewertung wäre sicherlich genauer. Bleibt die Frage: Wie groß wäre der Nutzen hiervon? Lohnt sich also die hierfür erforderliche Investition? Das hilft Ihnen das Genauigkeitstemplate einzuschätzen.
Das Zufriedenheitstemplate
In der Zusammenarbeit mit Kunden, Partnern, Mitarbeitern und Lieferanten ergeben sich immer wieder Schwierigkeiten: Die eine Seite benötigt Informationen, die die andere aktuell nicht liefern kann. Abläufe verzögern sich, weil der Entscheider gerade in Urlaub ist. Oder Leistungen werden nicht wie gewünscht erbracht. Die Folge: Die Zufriedenheit sinkt.
Das Zufriedenheitstemplate hilft Ihnen, Anwendungsfälle in Ihrem Unternehmen zu identifizieren, die dazu beitragen, die Zufriedenheit bei den von Ihnen adressierten „Stakeholder“ – seien dies Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten oder Kapitalgeber – zu erhöhen.
Das Entscheidungstemplate
In vielen Bereichen sind wir bereits daran gewöhnt, Entscheidungen einem Algorithmus oder einer künstlichen Intelligenz zu überlassen. Hierfür ein Beispiel:
Sie sind mit dem Auto unterwegs, vor Ihnen bildet sich ein Stau. Das Navigationsgerät schlägt eine Ausweichroute vor. Aus Tausenden von Möglichkeiten, den Stau zu umfahren, wählt das Gerät selbstständig die beste aus und schlägt sie Ihnen vor. Würde Ihr Auto autonom fahren, würde es sogar die Entscheidung selbst treffen.
Entscheidungsprozesse in Unternehmen sind oft langwierig. Je mehr Abteilungen in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess involviert sind, desto aufwendiger und teurer wird er. Mit dem Entscheidungstemplate können Sie gezielt nach Anwendungsfällen suchen, bei denen Sie durch automatisierte Entscheidungen Zeit und Geld sparen.
Das Rentabilitätstemplate
Haben Sie schon mal von einem Nachrichtenportal für Ihren Stadtteil geträumt? Also einem Portal, in dem Sie nicht nur alles, was in Ihrem Viertel geschieht, sofort erfahren, sondern auch unmittelbar über alle Neuigkeiten, die auch Ihren Stadtteil betreffen, fundiert informiert werden? Warum gibt es solche Portale noch nicht, obwohl Menschen Nachrichten aus ihrem nahen Umfeld am meisten interessieren? Ganz einfach, ein solches Nachrichtenportal zu pflegen, würde mindestens fünf Vollzeitstellen erfordern: Eine für die technische Wartung, zwei für die Produktion der Inhalte und zwei für die Finanzierung durch Werbung und Abonnements. Das Geschäftsmodell Stadtteil-Nachrichtenportal war bisher schlichtweg nicht lukrativ. Die KI kann das ändern.
Schon heute nutzen Portale wie fussifreunde.de künstliche Intelligenz, um Spielberichte über Spiele in den Kreis- und Bezirksligen zu verfassen. Das Prinzip ist einfach: Aus den wichtigsten Informationen zum Spiel (Wer spielte gegen wen? Wie hieß der Schiedsrichter? In welcher Minute schoss wer ein Tor?) wird automatisch ein Bericht erstellt. Ähnlich agieren heute schon viele (Online-)Medien und Finanzdienstleister, um ihre Leser bzw. Zielkunden zeitnah zum Beispiel über das Geschehen an der Börse zu informieren.
Mit dem Rentabilitätstemplate gehen Sie auf die Suche nach Geschäftsmodellen, die sich bislang noch nicht rechneten, künftig aber bei einem KI-Einsatz eventuell lukrativ sind.
Das Vereinfachungstemplate
Sind Sie schon mal an Photoshop verzweifelt? Wenn Sie zum Beispiel Objekte freistellen wollen, finden Sie im Internet Anleitungen wie diese: „Wählen Sie den Zauberstab oder die Schnellauswahl, fahren Sie einmal mit der Maus über das Objekt, damit Photoshop die Ränder des Objekts selbstständig markiert. Abschließend können Sie das markierte Objekt mit „Strg + C“ kopieren oder mit „Strg + X“ ausschneiden.“ Und wie funktioniert das Ganze auf dem iPhone? Dort tippen Sie auf das betreffende Objekt, lassen den Finger eine halbe Sekunde auf dem Display und schon ist es ausgeschnitten, und Sie können es einfach in ein anderes Bild einfügen oder den Bildausschnitt per Mail verschicken.
Das Beispiel zeigt: Durch den KI-Einsatz können Anwendungen sehr vereinfacht werden. Das Vereinfachungstemplate dient dazu, systematisch auf die Suche nach Anwendungsfällen zu gehen, bei denen Sie durch eine Vereinfachung neue Kunden gewinnen oder die Zufriedenheit bestehender Kunden steigern.
Das Bedürfnistemplate
Der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz im privaten und geschäftlichen Umfeld schafft neue Bedürfnisse. Deshalb fragte ich mich, bevor ich mein neues Buch „KI-Roadmap:…“ schrieb: „Welcher Bedarf entsteht hierdurch aktuell in den Unternehmen?“ Die Antwort lautete unter anderem: „Orientierung“. Und zwar spätestens dann, wenn die Geschäftsführung oder der Vorstand darüber nachdenkt: Wie kann unser Unternehmen vom KI-Einsatz profitieren?
Auch bei Ihren Kunden verändern sich durch den verstärkten KI-Einsatz die Erwartungen, Bedürfnisse, Notwendigkeiten usw.. Daraus erwachsen für Ihre Organisation neben Risiken auch Chancen. Also sollten Sie überlegen, bei welchen Kunden durch die KI neue Bedürfnisse und Chancen für Sie entstehen. Dabei hilft Ihnen das Bedürfnistemplate.
KI statt Brainstorming
Mit den zehn Templates können Sie den Prozess der Ideengenerierung konkretisieren und methodisch so strukturieren, dass die Qualität der Vorschläge steigt. Anstatt wie beim klassischen Brainstorming hundert oder mehr entwickeln Sie zwar weniger Ideen, doch dafür hochwertigere, da Sie Ihr Denken und Handeln von vornherein auf bestimmte Bereiche und Anwendungsfälle fokussieren.
Beim Generieren von Ideen mit den zehn Templates werden schnell merken: Die Vorschläge, die Ihnen zum Beispiel ChatGPT unterbreitet sind oft verblüffend, manchmal aber auch oberflächlich und banal. Also bleibt es Ihre Aufgabe, die Ergebnisse zu bewerten, umzuformulieren, auszusortieren oder als Grundlage für eigene Überlegungen zu nutzen. Von einem KI-Tool wie ChatGPT kann man vieles erwarten, Wunder aber nicht.
Hinweis: Die im Artikel beschriebenen Templates finden Sie auch in dem kostenlosen Tool zur KI-Potenzialanalyse auf der Webseite www.ki-roadmap.de. Dies ermöglicht es Ihnen, Anwendungsfälle für den Einsatz von KI-Lösungen auch in digitaler Form zu ermitteln, was deutlich schneller und effektiver ist als in klassischen Workshops.