Führungskräfte beziehungsweise Vorgesetzte können ihren Mitarbeitern befehlen, was und wie sie etwas zu tun haben. Sie können ihnen aber nicht vorgeben, welchen Sinn sie darin zu sehen haben. Das funktioniert nicht! Den Sinn – oder neudeutsch „Purpose“ – müssen Menschen in ihrer Arbeit stets selbst finden. Sie müssen für sich selbst erkennen: „Das macht für mich Sinn und ist deshalb „mein Ding”. Das ist für ihre Arbeitsmotivation extrem wichtig, denn: Nur wer seinen Sinn gefunden hat, übernimmt Verantwortung.
Who? Why? What? – die drei Sinn-Dimensionen
Ein Vorreiter beim Formulieren dieses Zusammenhangs war Simon Sinek. Er stellte 2006 den „Golden Circle“ vor, den er unter anderem in seinem Buch „Frag immer erst: warum. Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren” näher erläuterte. Ihm zufolge müssen Unternehmen, um langfristig Erfolg zu haben, ihren Kunden und Mitarbeitern einen übergeordneten Sinnzusammenhang aufzeigen, der es ihnen ermöglicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Hierfür müssen sie ihnen Antworten auf folgende Fragen geben.
Dabei erachtet er die Why-Frage als die zentrale, aber auch am schwierigsten zu beantwortende Frage, weil sie letztlich den Purpose, also Sinnzusammenhang schafft.
Diese Gedanken von Sinek griff der Ökonomiepsychologe Aaron Hurst in seinem 2014 erschienenen Buch „The Purpose Economy“ auf und bezog sie auf das individuelle Sinnempfinden von Menschen. Dabei vertritt er die These: Nur wenn ein Mensch wertschätzt, für wen und warum er arbeitet und sich zudem mit dem, wie er es tut, identifiziert, entsteht bei ihm ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit. Dementsprechend unterscheidet Hurst beim Purpose in Anlehnung an Sinek folgende drei Dimensionen:
Who – für wen arbeite ich?
Auf wen oder was Menschen beim Arbeiten ihre Energie fokussieren, divergiert: Manche haben eher einzelne Personen(-gruppen) im Blick, andere das Unternehmen beziehungsweise die Organisation und wieder andere eine bestimmte Gemeinschaft oder die Gesellschaft insgesamt.
Hieraus resultiert die Frage: Für wen arbeitet Ihr Unternehmen? Für einzelne Menschen oder Personengruppen? Für andere Unternehmen/Organisationen oder die Gesellschaft? Je stärker sich Ihre Mitarbeiter mit dem „Who“ identifizieren können, desto selbstverantwortlicher und engagierter arbeiten sie. Also sollte Ihr Unternehmen auf diese Frage eine Antwort haben.
Why – warum arbeite ich?
Laut Hurst gibt es zwei Arten des Warum: Entweder machen Menschen etwas, weil sie an das Prinzip „Karma“ glauben oder weil sie der Welt und den Menschen zu mehr „Gerechtigkeit“ verhelfen möchten.
Deutlich lässt sich diese Dualität auch in der aktuellen Debatte über das Thema Digitalisierung wiederfinden. Während manche Menschen in ihr, überspitzt formuliert, die Lösung aller Menschheitsprobleme sehen, sehen andere primär die Gefahren, die von ihr ausgehen. So zum Beispiel, dass sich Monopole bilden, die den Wettbewerb aushebeln, oder Überwachungssysteme entstehen, die die bürgerliche Freiheit bedrohen. Also fordern sie eine staatliche Steuerung dieser Entwicklung, um aus ihrer Warte höherwertige Güter wie Freiheit, Gerechtigkeit, fairer Wettbewerb zu bewahren.
Hieraus resultiert die Frage: An wen richtet sich das „Warum“ Ihrer Organisation? Eher an Menschen, die ans „Karma“ glauben, oder solche, die für „Gerechtigkeit“ eintreten? Angenommen Ihr Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern die ideale Plattform, um technische Innovationen zu entwickeln. Dann zieht diese Tatsache allein gewiss Ingenieure mit einem Karma-Glauben an. Anders sieht dies bei potenziellen Mitarbeitern aus, die das Thema Gerechtigkeit beseelt. Sie interessiert eher: Was produzieren Sie? Rüstungsgüter oder Medizintechnik? Luxusgüter für Superreiche oder für die Allgemeinheit? Und wie sieht die Ökobilanz aus?
How – Wie arbeite ich?
Das „How“ beschreibt die Art und Weise, also die Strategie und Taktik mit der Menschen und Unternehmen ihre Ziele erreichen möchten: community-orientiert, menschen-zentriert, struktur-getrieben oder wissensbasiert?
Jeder dieser Wege spricht unterschiedliche Menschen an und kann zum Erfolg führen. Daraus resultiert die Frage: Für welches „How“ steht Ihre Organisation primär? Welchen Menschen bietet sie eine Andockstelle, um hieraus ihren persönlichen Sinn abzuleiten? Diese Frage zu beantworten, ist wichtig, denn: Je stärker sich Ihre Mitarbeiter außer mit dem „Für wen“ und dem „Warum“ Ihrer Organisation auch mit deren „Wie“ identifizieren, umso selbstverantwortlicher agieren sie und umso bereitwilliger übernehmen sie Verantwortung.
Das Sinn-Empfinden speist die intrinsische Motivation
In ihrem Privatleben sehen die meisten Menschen ganz selbstverständlich abhängig von ihren individuellen Werten einen Purpose oder Sinn – zum Beispiel: Ich möchte
Damit korrespondieren ihre Lebensziele: Zum Beispiel,
In ihrem Job fehlt Menschen oft eine entsprechende Orientierung – auch aufgrund der arbeitsteiligen Prozesse. In ihm füllen sie sich nicht selten als ein unbedeutendes Rädchen in einem unüberschaubaren großen Ganzen. Einen Sinnzusammenhang sehen sie in ihrem Tun und Engagement oft nur mittelbar – zum Beispiel: Ich muss mich und meine Familie ernähren.
Das ist an sich nicht negativ, denn dieses Motiv beantwortet letztlich auch die Fragen „Who“ und „Why“, wenn auch aus Unternehmenssicht eher auf eine ex- als intrinsische Art und Weise. Dessen ungeachtet sind solche Personen oft extrem wertvolle Mitarbeiter, insbesondere wenn es um das Erledigen der operativen Alltagsarbeit geht. Sie bilden sozusagen das Rückgrat vieler Unternehmen.
Wenn es jedoch um das Besetzen von Schlüsselpositionen geht, sollten Unternehmen auch auf eine purpose-bezogene Passung der Kandidaten achten, denn diese Personen treiben ihre Organisation letztlich voran. Sie sorgen aufgrund ihrer Identifikation mit ihren Aufgaben und dem Unternehmen dafür, dass dieses zukunftsfähig ist und bleibt.