Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – und manchmal sogar gesetzlich vorgeschrieben. Am 23. Juni hielt deshalb auch die Einkaufsgenossenschaft Hagos ihre turnusmäßige Generalversammlung vor 119 anwesenden beziehungsweise durch Vollmacht vertretenen Mitgliedern ab, um den Beweis einer nicht nur buchhalterisch korrekten Bilanz abzuliefern, sondern auch die Ergebnisse der genossenschaftlichen Geschäftstätigkeit nachzuweisen.
Veranstaltungsort für den geschäftlichen Teil war der große Saal im Kultur+Kongress Zentrum Rosenheim. „Kaum zu glauben, was die Branche im zurückliegenden Jahr alles beschäftigte,“ so der Aufsichtsratsvorsitzende Florian Förg bei der Begrüßung der Teilnehmer zu Beginn der Generalversammlung. Dann zählte er auf: die Nachwirkungen der Pandemie, Lieferkettenprobleme, den Russland-Ukraine-Krieg, Energiepreisschock, unsichere Energieversorgungslage vor dem letzten Winter – und aktuell die Wirren um die GEG-Novelle. Einige dieser Krisen spielen den Ofenbauern in die Hände, denn sie haben die Produkte, die einen auch durch Notzeiten retten können. Auf seine Rede folgte die Ehrung verdienter Hagos-Mitglieder.
Mit Personalien ging es weiter. Das langjährige Vorstandsmitglied Ralf Tigges geht zum Ende dieses Jahres in den Ruhestand. Seine Aufgaben übernehmen künftig zwei neue Vorstandsmitglieder, die sich auch mit detailliertem Lebenslauf persönlich vorstellten: Lutz Becker wird den Bereich Einkauf und Marketing verantworten, Alexander Schnaidt kümmert sich um Vertriebsangelegenheiten. Beide haben mehrjährige Führungsfunktionen in internationalen Unternehmen innegehabt und bei der Hagos ihre Tätigkeit auch schon aufgenommen, sodass ein reibungsloser Übergang gewährleistet ist.
Überraschungsgast im Rollstuhl
Auf die beiden „Neulinge“ folgte ein Überraschungsgast im Rollstuhl, der eine bewegende Geschichte mitgebracht hatte – seine eigene: Mit unverblümten Worten schilderte der österreichische Rennrollstuhlfahrer Thomas Geierspichler (fünffacher Weltmeister, sechsfacher Europameister und Paralympicssieger über 1500 Meter sowie im Marathon, wo er auch den Weltrekord hält) seine „Karriere“, die nach seinem Unfall als Beifahrer nach einer Diskotheken-Heimfahrt zunächst wenig glanzvoll klang. Als der gelernte Landwirt und Landmaschinenmechaniker am 4. April 1994 mitten in der „Sturm- und Drangphase“ als 18-jähriger aus seinem gewohnten Leben gerissen wurde und nach zwei Monaten im Rehabilitationszentrum erfuhr, dass er von der Hüfte an abwärts lebenslang gelähmt bleiben würde, fiel er in ein psychisches Loch und bekam Drogen- und Alkoholprobleme. Im Jahre 1997 zu Silvester hörte er nach einer Einladung bei Freunden und einer tiefen Auseinandersetzung mit seiner Person und dem Glauben spontan mit dem Rauchen, Trinken und der Einnahme von Drogen auf. Anfang 1998 lernte Geierspichler einen Rennrollstuhlfahrer kennen und bekam die Möglichkeit, an einem Trainingscamp teilzunehmen. Angetrieben von seinem Motto „Alles ist möglich dem, der glaubt“, kämpfte er sich binnen kürzester Zeit an die Weltspitze des Rennrollstuhlfahrens und holte bereits bei den Paralympischen Spielen in Sydney 2000 überraschend die Bronzemedaille. 2008 errang er in Weltrekordzeit die Goldmedaille im Marathon. 2021 hat sich Geierspichler zum 6. Mal für die Paralympics qualifiziert. In seinem packenden Vortrag schilderte er dem Publikum, das ziemlich ergriffen zuhörte, was ein Mensch mit Willensstärke alles erreichen kann.
Anschließend hatte Ralf Tigges die Anwesenden mit einem Ergebnisbericht über die Neutrale Marktumfrage unter den Hagos-Kunden wieder in die Realität der Generalversammlung zurückzuholen. Immerhin konnte er auf seiner letzten Mitgliederversammlung als Mandatsträger im Vorstand auch für die Branchenzukunft ein eher positives Bild zeichnen – allen Unsicherheiten auch aus dem Politikbetrieb zum Trotz. Ein Erfolg war auch die Großflächenplakataktion der Hagos. Seit 2005 wird so bundesweit mit wechselnden Kampagnen die „Ofenlust“ bei Endkunden stimuliert – im letzten Jahr mit insgesamt 3.484 gebuchten Flächen in 639 Orten. Was die Preissituation betrifft, geht Tigges aufgrund einer stabilisierten Material- und Energiepreissituation davon aus, dass es in den nächsten 12 Monaten keine wesentlichen Preissteigerungen geben wird. Unsicherheitsfaktoren seien allerdings durch die Inflation und durch Lohnsteigerungen gegeben. An den politischen Entscheidungsträgern übte er deutliche Kritik: „Die Regierung ist im Begriff, alte Technologien abzuschaffen, bevor neue in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Denn auch die vielgepriesene Wärmepumpe wird es ab Januar 2024 nicht in der benötigten Menge aus heimischer Produktion geben – geschweige denn die Handwerker, die die anspruchsvollen Geräte in dieser Menge einbauen und den Altbau in der dann notwendigen Weise modernisieren können. Mit diesem Aktivismus verspielt die Politik die vorhandene, positive Einstellung der Bürger für den Klimaschutz.“ Ein Trostpflaster für die Branche hatte er indes: „Einziger Lichtblick in der ganzen Debatte: Unser Brennstoff Holz soll CO2-neutral bleiben. Das ist die Voraussetzung für die erfolgversprechende Kombination der strombetriebenen Grundheizung „Wärmepumpe“ mit der Wärmekultur des Kachelofens!“ so Tigges, „im Moment läuft also das Holzthema zu unseren Gunsten. Heizungen, die mit Holz und Pellets betrieben werden, könnten nach dem Willen der Ampelkoalition wieder die
65 %-Vorgabe erfüllen. Was die Einzelraumfeuerung im Detail angeht, müssen wir noch abwarten.“ Abschließend stellte Tigges den Baufortschritt der Niederlassung in Thurnau vor. Aus dem modernen Logistikzentrum für die Region Franken werden voraussichtlich im 4. Quartal 2023 die ersten Kundentouren gefahren.
Nach seinem Bericht trat Carsten Eisele, Vorstand beim Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband, auf die Bühne und überreichte Tigges in einer Laudatio die Ehrennadel des Verbands in Gold für seine langjährigen Verdienste um die Förderung und Entwicklung des Genossenschaftswesens. Dafür gab es Standing Ovations von den Mitgliedern im Saal sowie geschlossen vom Aufsichtsrat und dem übrigen Vorstand, die Tigges mit sichtlicher Rührung entgegennahm.
Finanzen
Den Part, das trockene Zahlenwerk des zurückliegenden Hagos-Geschäftsjahrs verständlich aufbereitet zu präsentieren und einzuordnen, übernahm wie in den Vorjahren Vorstand Guido Eichel. Wirtschaftlich begann das Jahr 2022 für die Hagos eG eher verhalten, was vor allem mit dem vorgezogenen Umsatz durch die angekündigten Preissteigerungen zum Jahreswechsel zu tun hatte. Dies hatte zu einer Umsatzverschiebung von ca. 6 Millionen von 2022 zu 2021 geführt. Die Preissteigerungen waren allerdings auch ausschlaggebend für das umsatzstärkste Jahr in der Hagos-Geschichte. Der Umsatz in 2022 hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 14,5 Millionen erhöht. Das liegt auch an der großen Nachfrage nach Kaminöfen nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Durch das bereits sehr starke Jahr 2021 und den hohen Auftragsbestand wurde rechtzeitig neues Personal eingestellt, so konnte die hohe Nachfrage weitestgehend durch die bestehenden Personalkapazitäten abgedeckt werden. Durch das Projekt zur Einführung eines neuen ERP-Systems und der damit einhergehenden Hinterfragung sämtlicher Prozesse wird dem zunehmenden Wachstum der Digitalisierung Rechnung getragen. Damit wird die Genossenschaft auch weiterhin die Marktposition für ihre Mitglieder nachhaltig stärken. Auch künftig setzt sich die Hagos eG gemeinsam mit Vertretern der Branche, wie zum Beispiel im GVOB, dem HKI, in der VDZ, in den verschiedenen Aktionsbündnissen für Individuelles Heizen oder in der Freien Wärme dafür ein, in einem immer schwieriger werdenden politischen Umfeld gegen fragwürdige Restriktionen und Anforderungen vorzugehen. Die Herausforderungen in der Zukunft werden steigen: Fachbetriebe schließen aufgrund nicht gefundener Nachfolger, der politische Druck auf das Thema „Heizen mit Holz“ nimmt zu.
Auch Eichel ging auf die politische Situation rund um die Feuerstätte ein und kritisiert eine Energiewende, die oft am Bürgerwillen vorbei laufen würde, beispielsweise wenn es darum ginge, auf den ökologischen, nachhaltigen, nachwachsenden CO2-neutralen und in heimischen Wäldern verfügbaren Energieträger Holz zu setzen. Die Reglementierung von neu gebauten Gas- und Ölheizungen sei ein erster Schritt, dennoch müsse die Politik auch die Möglichkeit von Hybridheizungen aus Wärmepumpe und Feuerstätte im Blick behalten und in einem Förderprogramm berücksichtigen, so Eichel. „Doch entgegen der Einschätzung vieler in unserer Branche, birgt die Diskussion auch Chancen,“ resümierte Eichel, „mit den steigenden Anforderungen an die Feuerstelle steigt die Nachfrage nach dem qualifizierten Handwerker. Dementsprechend wird es der schnelle Verkauf im Baumarkt oder Internet in Zukunft schwerer haben, da es ohne kompetente Beratung nicht funktionieren wird.“
Mit dieser Einschätzung kam Eichel auf eines der drängendsten Probleme der Branche zu sprechen: Die Nachwuchsgewinnung und insbesondere der Lehrlingsausbildung. „Die rechtzeitige Beschäftigung mit dem Thema „Nachfolge“ erscheint aus heutiger Sicht dringender denn je. Einige Betriebe wurden in jüngster Vergangenheit geschlossen, da keine geeignete Nachfolge gefunden werden konnte. Die Hagos unterstützt die Mitglieder in diesem Thema durch die Übernahme von 50 Prozent der Kosten für die Beratungsleistungen eines externen Beraters. Hier arbeitet die Hagos eG zusammen mit Herrn Franz Falk, der bereits in den letzten vier Jahren einige Betriebe zum Thema Betriebsübergabe beraten hat.“ Auch die Hagos selbst spürt den Fachkräftemangel. Die Anforderungen seitens der Logistik, der Bevorratung der Ware und der Nachbesetzung offener Stellen im Personalbereich werden weiter steigen. Schon heute hat sich die Zeit für eine Stellenbesetzung gegenüber vor fünf Jahren nahezu verdoppelt. Die Mitarbeiterqualifizierung und die Implementierung neuer Softwarelösungen stellten laut Eichel weitere Herausforderungen für die nahe Zukunft dar.
Zu den Rückvergütungen der Hagos nahm Eichel wie folgt Stellung: „Unser Leistungsversprechen gegenüber unseren Mitgliedern – 3 Prozent Warenrückvergütung – war für die letzten Jahre gesetzt und konnte im Jahr 2022 wie schon im Vorjahr übertroffen werden. Doch trotz sehr guter Umsätze wird es mittelfristig schwieriger, unser Leistungsversprechen in Verbindung mit der notwendigen satzungs- und rechtsbedingten Rücklagenbildung zu erfüllen. Hinzu kommen stark steigende Preise am Beschaffungsmarkt, sowie verstärkte Lieferengpässe aufgrund fehlender Einzelteile. Der Krieg in der Ukraine hat die Liefersituation weiter verschlechtert, sodass alle Marktteilnehmer sich weiter in Geduld üben müssen.“ Die Hagos eG sei – wie andere Betriebe – gezwungen, ihre Kosten und Produktivität verstärkt im Auge zu behalten, um eine Rückvergütung in Höhe von 3 Prozent auszuschütten.
Mit Ablauf der Generalversammlung am 23.06.2023 endete die Amtszeit für die Aufsichtsratsmitglieder Karl-Heinz Dobler, Armin Geyer und Yvonne Xeller. Frau Xeller, Herr Dobler und Herr Geyer stellten sich jedoch zur Wiederwahl und wurden durch Mitgliederentscheid auch in ihren Ämtern bestätigt.
Mitgliederreise
Wie eingangs erwähnt, sind es zweifellos nicht nur die Geschäftszahlen, die über hundert Hagos-Mitglieder zur Generalversammlung ziehen. Mindestens ebenso wichtig dürfte den Teilnehmern das Rahmenprogramm sein, das an Vielseitigkeit schwer zu überbieten ist. Für nicht wenige Ofenbauer dürfte die Generalversammlung deshalb zugleich ihr Jahresurlaub sein, und wohl kaum woanders kann man in so großer Runde über vier Tage hinweg (das offizielle Programm ging von Donnerstag Nachmittag bis Sonntag) so gesellig miteinander verbunden sein und zugleich vielseitigste Freizeiterlebnisse genießen. Das begann bereits am Donnerstag Abend mit einem zünftigen Essen im Gasthaus zur Post „beim Hirzinger“ in Söllhuben und fand seine Fortsetzung am Freitag Abend mit einem spektakulären Dinner mit Alpenpanorama auf der Kampenwand – zu erreichen mit der Gondelbahn.
Freizeitlich ging es auch am Samstag weiter, wahlweise mit einer Wendelstein-Wanderung, einem Besuch der Ausstellung „Vulkane“ im Lokschuppen Rosenheim oder mit einer Radtour um den Chiemsee (auf eigenen oder auf Leihfahrrädern). Zwei Programmpunkte sind zweifellos auf Betreiben des passionierten Oldtimerfahrers Guido Eichel zustande gekommen: eine Ausfahrt im eigenen Klassiker „Rund um Rosenheim“ sowie ein Besuch des Oldtimer-Museums mit der Ausstellung „EFA – Bewegte Zeiten“. Abends gab es ein festliches Bankett im Ballhaus zu Rosenheim.
Auch für den Sonntag hatte das Orga-Team der Hagos noch volles Programm im Angebot. Je nach Präferenz waren ein Besuch der Fraueninsel oder der Herreninsel im Chiemsee wählbar. Das gemeinsame Mittagessen war beim Restaurant Klosterwirt in Frauenchiemsee eingeplant. Damit fand die diesjährige Generalversammlung ihr Ende – man sieht sich wieder. Spätestens im nächsten Jahr in Ulm.