Fast zwei Kilometer Wegstrecke können ganz schön weit sein. Wer mit den „Öffentlichen“ zur Innungsversammlung der Ofenbauer nach Kirchheimbolanden anreiste, konnte schon auf dem Fußweg zum Parkhotel Schillerhain eine Vorahnung von der Stimmung bekommen, die sich auch durch die Vorträge zog, die weniger technische Sachthemen behandelten als die Perspektiven für die Holzfeuerung im Allgemeinen und das OL-Handwerk im Besonderen: Der Weg ist (wird) steil und er ist kein Spaziergang!
Ungefähr so skizzierte auch Innungs-Obermeister, Landesfachgruppenleiter und BUFA-Mitglied Stephan Kohl die Lage, als er am Morgen des 14. September die rund 80 Tagungsgäste begrüßte. Der zwischenzeitlich kaum noch sinnvoll abzuarbeitende „Nachfragewahnsinn“, der infolge der Corona-Pandemie und die durch den russischen Krieg ausgelöste Energiekrise eingetreten war, sei vorüber. „Wir müssen alle den Gürtel wieder enger schnallen“, stellte Kohl fest, „der Kaminofenmarkt ist im Frühjahr und Sommer ebenfalls deutlich zurückgegangen, die Nachfrage nach Heizkaminen und Kachelöfen und deren Austauschgeschäft ist aber nach wie vor sehr groß. Geblieben sind uns hingegen die exorbitant langen Lieferzeiten, die für viele Geräte nach wie vor bei rund zwölf Monaten liegen. Ebenso groß ist die Nachfrage nach wassergeführten Heizeinsätzen. Die Kunden sind kaufwillig und möchten in eine sichere Zukunft mit Holz und Strom investieren. Und wir könnten auch sehr viele solcher Anlagen verkaufen. Allerdings kann derzeit nur ein Bruchteil der angebotenen Holzheizkessel wirklich umgesetzt und realisiert werden, da entweder gar keine Installateure zu finden sind, die dazu noch Lust und Zeit haben, oder es gibt sie, aber sie sind nicht bezahlbar.“ In diesem Zusammenhang konstatierte Kohl eine teilweise protektionistische Preispolitik bei den Heizungsbauern. Diese machten absichtlich völlig überzogene Angebote, weil sie zurzeit mit dem Heizungstauschgeschäft so überlastet seien, dass sie am liebsten gar keine neuen Aufträge annehmen würden – und wenn doch, dann eben zu Preisen, die ihnen satteste Gewinne versprechen würden.
Dabei hat auch die Ofenbranche selbst noch erheblichen Aufholbedarf beim Austauschgeschäft für nach 1. BImSchV stillgelegte Öfen – und ein erhebliches und sich zuspitzendes Nachwuchsproblem! In der Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) wurden für das OL-Handwerk im Jahr 2022 bundesweit lediglich noch 305 Auszubildende in allen Lehrjahren gezählt. Viel zu wenig, denn gleichzeitig steht in vielen Betrieben jetzt ein Generationswechsel an. Es ist davon auszugehen, dass es auch trotz guter Auftragslage zahlreiche ersatzlose Betriebsschließungen geben wird. Die geringen Auszubildendenzahlen hängen nach Kohls Überzeugung auch mit mangelndem Engagement der Berufskollegen bei der Anwerbung neuer Azubis zusammen. An einem langweiligen Berufsbild könne es jedenfalls nicht liegen, denn im Ofenbau-Beruf sind Teilbereiche von sage und schreibe 21 weiteren Handwerksberufen enthalten, zum Beispiel: Fliesenleger, Gerüstbauer, Dachdecker, Metallbauer, Schlosser, Maler, Maurer und natürlich Kachelofen-, Kamin- und Luftheizungsbauer. Notwendig sei allerdings, den Beruf bekannter zu machen – durch Teilnahme an Berufsfindungsbörsen in Schulen, Praktikumsangebote und weitere Aktionen.
Überbordende Bürokratie und blinde Regulierungswut
Anschließend überließ Stephan Kohl Leda-Geschäftsführer Folkmar Ukena das Podium. Wer Folkmar Ukena länger kennt, weiß, dass den allzeit besonnenen Unternehmenslenker normalerweise wenig aus der Fassung bringen kann. Umso mehr mag man sich gewundert haben, dass in seinem Vortrag auf der Innungsversammlung sogar echter Zorn aus ihm herausbrechen kann – so zeigte er sich sichtlich verärgert über eine überbordende Bürokratie, blinde Regulierungswut der Entscheider auf deutscher wie auch auf europäischer Ebene, die sich – Folkmar Ukena ist da als Experte auch an entsprechender Gremienarbeit beteiligt – nur allzu häufig sachkundiger Argumente schlicht versperrt. Und so drohen der Branche durch den segmenthaften Blick einzelner politischer Akteure ständig neue Hürden, sei es bei der Bewertung von Holz als regenerativem und für die Wärmewende absolut unverzichtbaren Energieträger (was vorerst positiv anerkannt bleibt), sei es bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten, insbesondere beim Feinstaub, sei es bei der künftigen Neubewertung von Feuerstätten auf dem vorgeschriebenen Energielabel im Zusammenhang mit der Ecodesign-Richtlinie, bei der eine künftige Zusammenlegung mit Klimageräten und Komfortventilatoren droht – und in der Folge ein generelles Abrutschen der Feuerstätten in den Energieklassen vom grünen in den roten Bereich. Auch die Auswirkungen des neuen GEG auf die Branche wurden von Ukena beleuchtet. Aber – ebenfalls typisch für ihn: Keine Kritik ohne Lösungsvorschlag und persönliches Engagement. Und so tourt er weiter unermüdlich durch die Gremien, um die positiven Eigenschaften der energetischen Holznutzung und auch die Chancen, zum Beispiel von hybriden Heizungssystemen, aufzuzeigen und für deren Bestand zu kämpfen. Insbesondere plädierte er zum Schluss dafür, Einzelraumfeuerstätten als wichtige Backup-Lösung für Versorgungskrisen in der öffentlichen Diskussion zu etablieren.
Ermittlung von Schornsteinhöhen
Als nächster Referent trat Landesinnungswart des Schornsteinfegerhandwerks Rheinland-Pfalz, Michael Kühner aufs Podium. Sein Thema war die Vorgehensweise bei der korrekten Ermittlung von Schornsteinhöhen in Abhängigkeit von der Position am Gebäude gemäß §19 „Schädliche Umwelteinwirkungen (Ableitbedingungen)“ der 1. BImSchV. Michael Kühner beschrieb detailliert die sich aus der Verordnung ergebenden Anforderungen für die Praxis und das Ablaufschema dafür – vom ersten Prüfschritt, der Firsthöhenprüfung über dieso genannte Viertelkreisprüfung, die Umgebungsbetrachtung und zum Schuss die Behandlung von Sonderfällen, die in den LAI-Auslegungsfragen geklärt wurden. Das heißt, ganz am Ende war Michael Kühner damit noch nicht. Ein Herzensanliegen war ihm noch, Werbung für die Benefizveranstaltung „Glückstour“ zu machen, die seit vielen Jahren Spenden für krebs- und schwerstkranke Kinder sammelt und diese jährlich auf einer einwöchigen Rennradtour der Schornsteinfeger an Krankenhäuser und andere bedürftige Institutionen übergibt. Ziel dieser medial umfangreich begleiteten Radtouren ist jeweils der Bundesverbandstag der Schornsteinfegerinnung, der immer an wechselnden Orten stattfindet. In diesem Jahr konnte eine Rekordsumme von 289.744 Euro übergeben werden. Spenden werden kontinuierlich das ganze Jahr über auch über die Webseite der Glückstour (www.glückstour.de – ja, mit Umlaut „ü“ im Homepagenamen!) eingeworben.
Auf Michael Kühnens fachlichen Vortrag aufbauend erklärte Harald Heynen, Mitglied des Fachausschusses OL im Fachverband SHK Niedersachsen, wie der durch die neuen Ableitbedingungen initiierte BImSchV-Mündungsrechner (BMR) in der Praxis funktioniert. Das praktische Excel-Tool berücksichtigt sowohl die neuen Ableitbedingungen als auch die VDI3781-4 und die LAI-Empfehlungen. Ihm liegen drei Prinzipien zugrunde: 1. Das „Rote-Linien-Modell, 2. das „fiktive Dach“ (nie unter 20 °), 3. „Was nicht passt, wird passend gemacht“ und „Sonderfälle“ wie Flachdach, Sheddach und Pultdach. Auch erklärte Heynen, wie man in der Praxis an die Basisdaten kommt, mit denen man den Rechner füttern muss. Der Rechner ist gegen Gebühr bei Harald Heynen über dessen Webseite (www.heynen-feuerfest.de/bmr) erhältlich und stellt zweifellos eine erhebliche Arbeitserleichterung dar.
Neuerungen zur TROL
Dieses Thema zu kommunizieren, hat sich Hendrik Schütze mittlerweile zu einer regelmäßigen Aufgabe gemacht. Wie meist, pickte er sich auch für die Technische Innungsversammlung einzelne Kapitel heraus, die er dann in der Tiefe vorstellt. Diesmal waren es die Berechnung der Nennwärmeleistung von Speicherfeuerstätten, das Kapitel 6 „Brand und Wärmeschutz“, das Kapitel 4.17 „Wassertechnik“, das Kapitel 5 „Verbrennungsluftversorgung“, Kapitel 10 „Flächenheizungen/ Hypokausten“ mit Berechnung der Leistungskennzahlen und last but not least „Wichtige Ergänzungen und Neuerungen“ in der aktuellen TROL. Dazu zählt beispielsweise die Aufnahme von Ersatzdämmstoffen ins Regelwerk sowie Ergänzungen und Korrekturen am Kapitel 6 und die Ergänzung/Nachreichung eines Vordrucks der Konformitäts- beziehungsweise Fachunternehmererklärung als digital ausfüllbares PDF in gestraffter Version.
Widerrufsbelehrung im Kaufvertrag
Um eine von Ofenbauern gerne unterschlagene Formalität ging es auch im abschließenden Exkurs von Stephan Kohl: Die Aufnahme der Widerrufsbelehrung in die Kaufverträge gegenüber dem Endkunden. Dies sei, so Kohl, eine absolut wichtige Sache, wolle man sich potenziellen erheblichen Ärger mit dem Kunden ersparen. Fehlt eine ausdrückliche Widerrufsbelehrung im Vertrag, sind Kunden sogar noch nach Fertigstellung eines Ofens einen Widerruf zu erklären! Der Widerruf bedarf keines Grundes und führt dazu, dass bereits abgeschlossene Verträge wieder so aufgehoben werden als hätte der Vertrag nie existiert. Der Betrieb darf nach einem Widerruf keine Bezahlung mehr verlangen und muss alle bereits erhaltenen Abschlags- und Vorkassezahlungen wieder an den Kunden zurücküberweisen! Eine Muster-Widerrufsbelehrung hatte Syndikusrechtsanwalt Christoph Christiansen für den Fachverband SHK BW ausgearbeitet. Diese wurde von Stephan Kohl im Detail erklärt. Damit endete der offizielle Teil der Innungsversammlung, dem sich ein inoffizieller in Form eines Abendessens anschloss. Um viel neues Fachwissen reicher ging es am Folgetag wieder den Berg vom Parkhotel Schillerhain hinunter zur Bahn. Bis zu einem Wiedersehen dann in Kirchheimbolanden in 2024.