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asbest

Die (oft) unerkannte Gefahr

Asbest, einst aufgrund seiner hervorragenden Eigenschaften weit verbreitet, stellt heute ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Asbest wurde auch „Wunderfaser“ genannt, weil er eine große Festigkeit besitzt, hitze- und säurebeständig ist, sehr gut dämmt und die Asbestfasern zu Garnen versponnen und diese verwebt werden können. Mit diesen Voraussetzungen konnte sich Asbest in der Werftindustrie für die Schifffahrt, in der Wärmedämmung, der Bauindustrie, der Autoreifenindustrie und für Textilien sogar im Bereich des Arbeitsschutzes (!) und der Filtration durchsetzen. Aufgrund der inzwischen eindeutig festgestellten Gesundheitsgefahren, die von Asbest ausgehen, ist der Einsatz heute in vielen Staaten, unter anderem in Deutschland und der EU verboten. Kaum zu glauben, aber Asbest wird weltweit trotzdem noch immer in großem Umfang abgebaut und genutzt! Die Asbestminenproduktion weltweit lag im Jahr 2023 bei 1,3 Millionen Tonnen, wobei Russland als größter Produzent dazu 630.000 Tonnen, Kasachstan 260.000 Tonnen, China 200.000 Tonnen und Brasilien 190.000 Tonnen beitrug.

Obwohl die Verwendung von Asbest in Deutschland seit 1993 verboten ist, sind viele Bestandsgebäude, insbesondere solche, die vor diesem Datum errichtet wurden, noch immer mit asbesthaltigen Materialien belastet. Für Handwerker im Baugewerbe ist es daher essenziell, die Asbestproblematik zu verstehen und die aktuellen gesetzlichen Regelungen zu kennen, um Gesundheitsgefahren zu vermeiden und rechtliche Vorgaben einzuhalten. Ein zentrales Problem beginnt allerdings schon damit, die asbestbelasteten Baustoffe überhaupt erkennen zu können. Besonders erschwert wird die Identifizierung dadurch, dass Asbest höchst selten in Reinform verarbeitet wurde, dafür allerdings sehr häufig stoffgemischlich in einer Vielzahl von Baumaterialien vorhanden ist. Dazu zählen unter anderem Putze, Spachtelmassen, Fliesenkleber, Bodenbeläge und Dachplatten. Besonders problematisch ist, dass Asbestfasern bei mechanischer Bearbeitung wie Bohren, Schleifen oder Fräsen freigesetzt werden können. Diese Fasern sind lungengängig und können schwere Erkrankungen wie Asbestose oder Lungenkrebs verursachen.

Die neue Gefahrstoffverordnung 2024

Am 5. Dezember 2024 trat die novellierte Gefahrstoffverordnung in Kraft, die wesentliche Änderungen für Tätigkeiten mit Asbest beim Bauen im Bestand mit sich bringt. Eine zentrale Neuerung ist die Einführung des sogenannten „Ampel-Modells“ zur Risikobewertung, das aus der Technischen Regel für Gefahrstoffe 910 (TRGS 910) bekannt ist. Dieses Modell unterteilt Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen in drei Risikobereiche:

  • Geringes Risiko: Asbest-Faserstaubbelastung < 10.000 Fasern/m³
  • Mittleres Risiko: Asbest-Faserstaubbelastung < 100.000 Fasern/m³
  • Hohes Risiko: Asbest-Faserstaubbelastung > 100.000 Fasern/m³
  • Je nach Risikoeinstufung sind unterschiedliche Schutzmaßnahmen erforderlich. Tätigkeiten mit geringem und mittlerem Risiko, wie das Fräsen von Schlitzen in asbesthaltigem Putz zur Verlegung von Elektroleitungen, sind nun unter Einhaltung spezifischer Schutzmaßnahmen erlaubt. Arbeiten mit hohem Risiko bleiben hingegen streng reglementiert und dürfen nur von spezialisierten Fachfirmen durchgeführt werden. Eine weitere bedeutende Änderung betrifft die Informations- und Mitwirkungspflichten des Auftraggebers. Dieser ist nun verpflichtet, dem beauftragten Unternehmen alle verfügbaren Informationen über das Baujahr des Gebäudes und mögliche Schadstoffbelastungen bereitzustellen. Das Bauunternehmen muss diese Informationen in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Ist das Vorhandensein von Asbest unklar, muss das Unternehmen entsprechende Untersuchungen durchführen lassen. Die dabei entstehenden Kosten gelten als besondere Leistung und sind entsprechend zu vergüten. Neben den positiven und klarstellenden Aspekten der neuen Gefahrstoffverordnung gibt es aus Handwerksverbänden allerdings auch deutliche Kritik (siehe Infokasten).

    Sachkundeerfordernis für den Umgang mit Asbest

    Für Tätigkeiten mit Asbest bleiben bestimmte Qualifikationen obligatorisch. Die aufsichtführende Person muss über eine Sachkunde verfügen, die je nach Risikoeinstufung zwischen 17 und 32 Lehreinheiten umfasst. Zudem müssen alle Beschäftigten, die mit Asbest arbeiten, Grundkenntnisse nachweisen, die beispielsweise durch einen Fortbildungskurs von 10 Lehreinheiten erworben werden können. Für neu eingeführte Anforderungen gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren.

    Kritik der Handwerksverbände an der neuen Gefahrstoffverordnung

    Die neue Gefahrstoffverordnung 2024 stößt in der Handwerkerschaft auf deutliche Kritik. Während die neuen Regelungen einerseits mehr Klarheit schaffen und Schutzmaßnahmen definieren, sorgen sie andererseits für erhebliche Mehrkosten und einen hohen bürokratischen Aufwand.

    Die zentralen Kritikpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:
    1. Kostenübernahme für Asbest-Nachweise

  • Ein zentraler Streitpunkt ist die Verpflichtung zur Untersuchung potenziell asbesthaltiger Baustoffe vor Beginn der Arbeiten. Die dabei anfallenden Kosten sind beträchtlich und belasten insbesondere kleinere Handwerksbetriebe. Zwar sieht die Verordnung vor, dass der Auftraggeber für die Analyse aufkommen muss, in der Praxis wird jedoch befürchtet, dass diese Kosten auf die Handwerker oder Kunden abgewälzt werden.
  • Viele Handwerker erwarten, dass Bauherren aus Kostengründen auf die Asbestprüfung verzichten oder die Verantwortung auf die ausführenden Firmen abwälzen.
  • Insbesondere bei kleineren Sanierungsprojekten (z. B. Badsanierungen oder Elektroinstallationen) ist es schwierig, solche Prüfkosten an den Kunden weiterzugeben, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
  • 2. Mehr Bürokratie und Dokumentationsaufwand

    Die neuen Informations- und Mitwirkungspflichten führen zu einer erheblichen Zunahme des administrativen Aufwands. Handwerksbetriebe müssen detaillierte Gefährdungsbeurteilungen erstellen, Schutzmaßnahmen dokumentieren und sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter entsprechend geschult sind.

  • Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) verfügen oft nicht über die personellen Kapazitäten, um diesen Verwaltungsaufwand zu bewältigen.
  • Die Pflicht zur lückenlosen Dokumentation könnte dazu führen, dass Aufträge aufgrund der hohen bürokratischen Hürden abgelehnt werden.
  • 3. Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung

    Viele Handwerker kritisieren, dass die neuen Regelungen zwar gut gemeint sind, aber in der Praxis doch sehr schwer umsetzbar sein könnten. Besonders das Ampel-Modell zur Risikobewertung sorgt für erheblihe Unsicherheiten: Welche Tätigkeiten konkret welchem Risikobereich zugeordnet werden, ist hier nämlich nicht immer ganz eindeutig.

  • Fehlende klare Vorgaben für die Beurteilung des Risikos führen zu Rechtsunsicherheiten.
  • Die Unterscheidung zwischen „mittlerem“ und „hohem“ Risiko ist in der Praxis nicht immer eindeutig – Fehler könnten teure Konsequenzen haben.
  • 4. Mangel an qualifizierten Fachkräften und Schulungsangeboten

    Für Tätigkeiten mit Asbest sind spezielle Sachkundenachweise erforderlich. Die neuen Anforderungen an Schulungen und Qualifikationen verschärfen jedoch den bestehenden Fachkräftemangel im Handwerk.

  • Der zusätzliche Schulungsaufwand
    wird als übertrieben und sehr praxisfern empfunden.
  • Es gibt aktuell nicht genügend Schulungsanbieter, um die erhöhte Nachfrage nach Asbest-Fortbildungen zu decken, was zu langen Wartezeiten führt.
  • Ältere, erfahrene Handwerker ohne formale Sachkunde könnten aus dem Markt gedrängt werden.
  • 5. Kleinere Betriebe im Nachteil

    Große Unternehmen können sich leichter auf die neuen Anforderungen einstellen, während kleinere Handwerksbetriebe mit den zusätzlichen Kosten und Auflagen kämpfen.

  • Die Regelungen könnten dazu führen, dass sich kleine Betriebe aus dem Sanierungsgeschäft zurückziehen, was die Marktstruktur verändert.
  • Bauverzögerungen und steigende Kosten für die Auftraggeber sind deshalb zu erwarten.
  • Fazit

    Die Gefahrstoffverordnung 2024 verfolgt das wichtige Ziel, den Schutz von Handwerkern und Bauarbeitern vor dem schädlichen Asbest zu verbessern. Dennoch gibt es aus der Praxis erhebliche Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit, der finanziellen Belastung und des bürokratischen Aufwands. Viele Handwerker fordern daher Nachbesserungen, insbesondere eine bessere finanzielle Unterstützung für Asbestuntersuchungen und eine praxisnähere Ausgestaltung der Regelungen.

    Je nach Belastungs-Exposition sind beim Umgang mit Asbestbaustoffen besondere Sachkunde und auch Schutzvorkehrungen vorgeschrieben.

    Foto: AdobeStock-U-J-Alexander

    Je nach Belastungs-Exposition sind beim Umgang mit Asbestbaustoffen besondere Sachkunde und auch Schutzvorkehrungen vorgeschrieben.
    Diese Aufnahme der spitzen Asbestfasern unterm Elektronenmikroskop lässt erahnen, weshalb die lungengängigen Fasern sogar Zellschädigungen bis hin zu Krebs verursachen können.

    Foto: Wikipedida

    Diese Aufnahme der spitzen Asbestfasern unterm Elektronenmikroskop lässt erahnen, weshalb die lungengängigen Fasern sogar Zellschädigungen bis hin zu Krebs verursachen können.
    Die Bildbeispiele aus der Bestimmungshilfe von RECBest zeigen, wie schwierig die präzise Identifizierung von Asbestbeimischungen in verschiedenen Baumaterialien ist. Das Unternehmen bietet unter www.asbest-akademie.de ebenfalls Schulungen zum Thema an.

    Foto:

    Die Bildbeispiele aus der Bestimmungshilfe von RECBest zeigen, wie schwierig die präzise Identifizierung von Asbestbeimischungen in verschiedenen Baumaterialien ist. Das Unternehmen bietet unter www.asbest-akademie.de ebenfalls Schulungen zum Thema an.

    Hilfs-, Unterstützungs- und Fortbildungsangebote zur Asbestproblematik

    So berechtigt die Kritik der Handwerkerschaft an Teilen der neuen Gefahrstoffverordnung auch ist – es ist andererseits nicht so, dass es an jeglicher Unterstützung mangelt. Im Gegenteil ist diese sogar sehr weitreichend und sogar finanziell hilfreich – wenn man denn nur weiß, wo man sie bekommt. Eine nicht zu vernachlässigende Säule der Unterstützung stellen hier die umfangreichen Informations- und Fortbildungsangebote des ZVSHK und der regionalen Fachverbände dar.

    Weitere Infos:

    Um die Anforderungen der neuen Gefahrstoffverordnung sicher und rechtskonform umzusetzen, stellt auch die BG BAU ihren Mitgliedsunternehmen unter anderem folgende Angebote zur Verfügung:

    Mit der Arbeitsschutzprämie „Schutzpaket für das Bauen im Bestand“ fördert die BG BAU mit bis zu 5.000 Euro die technische Grundausstattung, die für ein sicheres Arbeiten an asbesthaltigen Materialien erforderlich ist. Dazu gehören zum Beispiel Handmaschinen mit Absaugung, Bauentstauber, Luftreiniger oder Staubschutztüren sowie Schleusen.

    Mit dem E-Learning-Modul „Grundkenntnisse Asbest“ können die Beschäftigten den theoretischen Teil der Grundkenntnisse im Lernportal der BG BAU erarbeiten.

    Damit Verbände, Innungen und größere Unternehmen die Grundkenntnisse zu Asbest auch intern vermitteln können, bietet die BG BAU darüber hinaus „Multiplikatoren-Schulungen“ in ihren Ausbildungsstätten an.

    Weitere Infos:

    ZVSHK: https://www.zvshk.de/arbeitssicherheit/asbest/

    BG Bau: https://www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/asbest

    Visuelle Bestimmung von Asbest in Baumaterialien:
    https://www.gesamtverband-schadstoff.de/media/asbest-visuell-datenblaet…

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