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Statement

Gesetz zum Bürokratieabbau bringt nicht genug Entlastung

Das ist schon etwas paradox: ein Gesetz zum Abbau der Bürokratie lässt erst einmal mehr Regulative und damit mehr Papierkram vermuten. Während etwa die Europäische Union gerade ein strengeres Arbeitsrecht für Anbieter sogenannter Plattformarbeit (unter anderem Kurierfahrer/innen, Reinigungskräfte bei Lieferando.de, Uber usw.) vorbereitet, nimmt die Bundesregierung die erste Hürde für ihr Versprechen, bürokratische Belastungen für Unternehmen zu senken. Dazu hat das Kabinett im März dieses Jahres auf Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) das im vergangenen Sommer angekündigte „Vierte Bürokratieentlastungsgesetz“ auf den Weg gebracht. Geplant sind damit Veränderungen für etwa 60 Einzelregelungen, die in unterschiedlichsten Bereichen den verwaltungstechnischen Aufwand sinnvoll mindern sollen. Das wiederum ist eine Auswahl aus insgesamt 447 Vorschlägen, die die Regierung zuvor mittels einer Umfrage unter Kammern, Verbänden sowie gewerblichen Institutionen eingesammelt hatte. Die Einreichungen fordern neben einer verstärkten Digitalisierung, eine erhebliche Dynamik in den Behörden, die Überprüfungen überzogener Datenschutzbestimmungen sowie kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege.

Arbeitsminister und Datenschutz blockieren

Wirtschaftsvertreter sehen darin allerdings noch keinen Durchbruch. „Die geplante Entbürokratisierung reicht nicht einmal aus, das auszugleichen, was durch neue Regelungen an anderen Stellen laufend hinzukommt“, sagte dazu etwa Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW). Auch ZDH-Präsident Jörg Dittrich findet dazu in einem ARD-Interview klare Worte: „Die Demokratie würgt uns ab! Das Handwerk kämpft seit Jahren für weniger Bürokratie, doch es kommt immer mehr hinzu.“

Zahlreiche Handwerksbetriebe sehen die bürokratischen Vorgaben in Deutschland inzwischen das größte Wachstumshemmnis. Trotz Fachkräftemangels müssten sie immer mehr Arbeitsstunden für die Erfüllung von Formvorschriften statt für Arbeiten in der Kundschaft einsetzen.

Auch in der Ampelkoalition gibt es scheinbar noch Diskussionsbedarf. Der FDP-Mittelstandspolitiker Carl-Julius Cronenberg lobte den Entwurf zwar im Grundsatz. Aber an einigen Stellen müsse im parlamentarischen Verfahren „noch nachgebessert werden“, sagte er kürzlich. Dies betreffe vor allem den „nicht ausreichenden“ Beitrag von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu dem Paket. Zum Ärger von Arbeitgebern wie auch der FDP ist bisher aber in einem Bereich mit hohem Papieraufkommen keine echte Lockerung vorgesehen: Arbeitgeber sollen ihren Beschäftigten, die im Nachweisgesetz definierten „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ weiterhin auf Papier nachweisen, für Belege in rein elektronischer Form drohte damit auch künftig noch ein Bußgeld. „Der Arbeitsminister muss sich endlich einen Ruck geben und die elektronische Form per Mail oder PDF ermöglichen“, sagt dazu FDP-Mann Cronenberg. „Was überall in Europa unkompliziert möglich ist, darf deutschen Beschäftigten und Betrieben nicht verwehrt bleiben.“

Gerade kleine Handwerksbetriebe sind überproportional von der Bürokratie betroffen. In vielen Fällen müssen sie identische Anforderungen wie Großunternehmen erfüllen, ohne auch nur annähernd vergleichbare Ressourcen zu haben. Die Vielzahl an Dokumentations- und Berichtspflichten ist dabei ein besonders großes Problem. Derweil ermittelt der Zentralverband Deutsches Handwerk die bürokratische Belastung von Betrieben und Beschäftigten im Handwerk und setzt sich mit konkreten Vorschlägen für eine Minderung ein, um Bürokratie auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und betriebliche Freiräume zu schaffen. Dabei wurden sieben Handlungsfelder mit konkreten Maßnahmen identifiziert sowie definiert. Siehe auch: https://www.zdh.de/ueber-uns/fachbereich-organisation-und-recht/buerokr…

Justizminister Buschmann stellte indes schon jetzt den erzielten Fortschritt heraus. Die Bundesregierung gehe „den nächsten Schritt bei der Bekämpfung des Bürokratie-Burnouts“, sagte er. Das aktuelle Gesetzesentwurf sei zugleich Teil eines größeren Pakets, das sich die Regierung vorgenommen hatte. Darin enthalten ist auch das so genannte Wachstumschancengesetz – das wegen Widerstands der Länder noch immer im Bundesrat festhängt – sowie eine Initiative für Entlastungen auf EU-Ebene.

EU gemachtes Elend

Auch das scheint dringender denn je geboten zu sein. Gerade kommt die EU-Gesetzgebung mit der „Umsetzung des europäischen CO₂-Grenzausgleichmechanismus“ (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) mit einem neuen Bürokratiemonster um die Ecke. Bis Ende Februar 2024 müssen herstellende Betriebe in einem ausführlichen Bericht Auskunft geben, wie hoch der Kohlendioxid-Ausstoß der in die EU eingeführten Güter ist. Nur drei Prozent der befragten Unternehmen fühlen sich laut einer aktuellen IHK-Umfrage demnach ausreichend informiert. „Unsere Umfrage zeigt: Die Unternehmen sind richtig sauer, viele haben ihrem Ärger in den Kommentarfeldern Luft gemacht“, sagte Claus Paal, Präsident der IHK Region Stuttgart, kürzlich dazu.

Sein Landsmanns, der ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU) hatte sich von 2010 bis 2019 als EU-Kommissar den Bürokratie-Abbau auf die europäische Fahne geschrieben. Leider nicht mit dem gewünschten Erfolg.

Dieter Last (61), Fachjournalist, Branchenkenner und Fachbeirat bei Waldecker-PR.

Foto: Dieter Last

Dieter Last (61), Fachjournalist, Branchenkenner und Fachbeirat bei Waldecker-PR.

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