Aber was bedeutet das Gesetz zur Kommunalen Wärmeplanung für das gebäude- und energietechnisch tätige Handwerk und den gesamten Wärmemarkt? Und welche Auswirkungen haben vor allem die vor Ort erzielten Ergebnisse auf die Bürger und somit auf das laufende und mittelfristige Kundengeschäft? Bei einem „Fachworkshop Kommunale Wärmeplanung“ der Allianz Freie Wärme hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich davon ein Bild zu machen und praxisnah hinter die Kulissen zweier die KWP umsetzender Organisationen zu schauen. Allen Teilnehmern wurde klar, dass eine aktive Mitarbeit der Wärmemarktpartner vor Ort, insbesondere des Handwerks und Handels, Vorteile für den Klimaschutz und alle KWP-Beteiligten mit sich bringt.
Die vier Phasen der Kommunalen Wärmeplanung (KWP)
„Die Kommunale Wärmeplanung ist ein strategisches Planungsinstrument für Städte und Gemeinden, das aufzeigt, wie eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 erfolgen kann, um fossile Energieträger mit erneuerbaren Energien zu ersetzen“, erklärt Tobias Nusser von der EGSplan Ingenieurgesellschaft mbH. Das Unternehmen war beziehungsweise ist an insgesamt 16 KWP-Prozessen aktiv beteiligt. Auch wenn ab kommendem Jahr im Bund die KWP etwas ausführlicher als in Baden-Württemberg umgesetzt werde, so seien es letztlich auch deutschlandweit vier wesentliche Prozessphasen, aus denen die gesamte Planung besteht.
Zu Beginn wird sich in der Bestandsanalyse per Datenerhebung ein Überblick zur Gebäude- und Energieinfrastruktur verschafft. Die Daten kommen für die Verarbeitung und Auswertung möglichst standardisiert zum Beispiel von den Energieversorgen und von den Schornsteinfegern. In Phase zwei, der Potenzialanalyse, werden die möglichen Einsparziele und regional verfügbaren Arten erneuerbarer Energien ermittelt. Danach wird in Zielszenarien definiert, wie die Energieversorgung theoretisch funktionieren könnte. Auf Basis der ersten drei Phasen werden am Ende in Phase vier die Handlungsstrategien und Maßnahmenkataloge mit entsprechenden Maßnahmensteckbriefen entwickelt. Zentrale Fragen sind dann: Was kann heute schon vorbereitet werden und was muss jetzt auf der Verwaltungsebene etabliert werden.
KWP stellt die Weichen fürs klimaneutrale Heizen in der Zukunft
„Insgesamt kommt die KWP einem energetischen Fahrplan für Kommunen gleich, der die Weichen hin zur Klimaneutralität stellt, wobei sich aktuell daraus noch keine rechtsverbindlichen Vorgaben ergeben“, so Tobias Nusser. Was aber dann im nächsten größeren Schritt in Richtung „klimaneutraler Wärme“ mit möglichst viel Erneuerbaren konkret an energetischen Umsetzungsmaßnahmen zentral und dezentral erfolgen dürfe und gegebenenfalls gemacht werden müsse, das hätten die Kommunen auf Basis der Ergebnisse der KWP zum Beispiel im Rahmen von Wärmenetzplanungen beziehungsweise Quartierskonzepten zu erarbeiten.
Wie in diversen Leitfäden beschrieben, oder auch im § 27 KlimaG BW vorgegeben, betont Tobias Nusser im Hinblick auf die einzelnen Ergebnisse in den vier Phasen die wichtige Information und Einbeziehung aller Beteiligten, der Bürger und der regionalen Wirtschaft, inklusive Handwerk und Schornsteinfeger. Denn am Ende ginge es darum, dass Alle den eingeschlagenen Weg akzeptieren.
Ziele der Kommunen mit der KWP
Die KWP aus Sicht der Kommunen, die Ziele, die Lösungswege und die Rolle einzelner erneuerbarer Energieträger beleuchtete der online zugeschaltete Raphael Gruseck von der LEA Energieagentur Kreis Ludwigsburg. „In Baden-Württemberg muss die Wärmeversorgung bis 2040 klimaneutral sein, das heißt, wir müssen die erneuerbaren Energien viel schneller ausbauen. Mit der Kommunalen Wärmeplanung entwickeln wir die hierfür notwendige Strategie“, so der KWP-Berater.
In der Zusammenarbeit mit den Kommunen werde daher die Wärmeversorgung vom Ziel her gedacht, wie man auf Basis der 4-Phasen-Planung durch die Nutzung lokaler Wärmepotenziale ein klimaneutrales Zielbild bis 2040 erzeugen könne. Im Rahmen der kommunalen Zielsetzung soll die Wärmeversorgung günstig und preisstabil sein. Durch die strategische Planung der KWP entstehe für Gebäudeeigentümer, Handwerk, Dienstleister und Industrie Planungssicherheit. „So wird – abhängig von der lokalen Wärmewendestrategie – die künftige Wärmeversorgung zu einem wichtigen Standortfaktor der Städte und Gemeinden“, erklärt Raphael Gruseck.
Erneuerbare Energieträger in der Potenzialanalyse und in Zielszenarien
Wenn es um die Lösungswege mit erneuerbaren Energien geht, dann wird aus Sicht der LEA zum Beispiel Wasserstoff für die Wärmeversorgung nur untergeordnet und schwer zum Einsatz kommen, biologische und synthetische Gas- und Flüssigbrennstoffe seien nicht ausreichend verfügbar und würden für Endkunden langfristig zu teuer bleiben. Biomasse als begrenzte und kostbare Ressource könne den Großteil einer klimaneutralen Wärmeversorgung nicht decken, für die dezentrale Versorgung würde sie beispielsweise eher in schlecht sanierbaren beziehungsweise denkmalgeschützten Gebäuden oder als saisonale Zusatzheizung mit geringen Jahresdeckungsbeiträgen eine Rolle spielen. „Wir gehen daher davon aus, dass die zukünftige Wärmeversorgung im Wesentlichen auf Wärmenetzen und Wärmepumpen basiert“, sagt Raphael Gruseck. Dabei würden für die Wärmenetze die erneuerbaren Wärmequellen Umweltwärme, Abwärme, Solarthermie und Tiefengeothermie in Verbindung mit saisonalen Wärmespeichern eine große Rolle spielen. Ergänzend auch BHKWs zur Residuallastdeckung, sowie feste Biomasse und Spitzenlastkessel.
Akzeptanz bei Bürgern: Dezentrale Lösungen mit Erneuerbaren nicht einschränken
Professor Dr.-Ing. Bert Oschatz, ITG Dresden, bewertet in seinem Vortrag „KWP aus Sicht des dezentralen Wärmemarktes“ zunächst die Entwicklung der Beheizungsstruktur im Wohnungsbestand und die Absatzzahlen der Wärmeerzeuger, sowie die möglichen THG-Einsparungen durch den Heizungstausch.
Um bei der KWP eine harsche Kritik wie beim Heizungsgesetz durch falsche oder ungenügende Kommunikation mit der Bevölkerung zu vermeiden, müssten die aktuellen Entwicklungen und technischen Möglichkeiten mitbedacht werden. Zwar sei die Nachfrage nach Wärmepumpen eher etwas zurückgegangen, doch vermutlich aus energiepolitischen Gründen im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg und der Gasknappheit sei zwischenzeitlich die Anzahl verbauter fossiler Heizungstechniken gestiegen. „Es lohnt sich daher, einmal genau hinzuschauen, was sich im Markt tut und was sich an THG-Einsparungen durch dezentralen Wärmeerzeugeraustausch erreichen lässt, denn das hat die Politik nicht ausreichend auf dem Schirm“, sagt Professor Dr.-Ing. Bert Oschatz.
Eine Studie für den BDH auf Basis der 2022 verbauten Heizungstechnik ergab CO₂-Einsparwerte bei Wärmepumpen von 837.000 t/a, bei Biomasse 457.000 t/a, bei Gas-Wärmeerzeugern 758.000 t/a und mit modernen Ölheizungen 101.000 t/a. „Klimaschutz und die Transformation des Gebäudebereiches in Richtung Klimaneutralität sind sehr komplex und teuer“, so Professor Dr.-Ing. Bert Oschatz. „Um unnötige Widerstände in der Bevölkerung zu vermeiden, sollte man sich für die Gesamtheit der Möglichkeiten öffnen, anstatt mit Zwangsvorgaben weitere Lösungspotenziale zu verbieten“, empfiehlt er in seinem Vortrag weiter.
Allianz Freie Wärme empfiehlt Dialog mit KWP-Umsetzern
GEG und WPG werden den Markt für die dezentrale Wärmeversorgung nachhaltig verändern, so die einhellige Meinung der Teilnehmer in der abschließenden Diskussion. Und die KWP wird mit großen Schritten bundesweit und flächendeckend kommen. Und zwar mit unterschiedlichen Dienstleistern, Sichtweisen und Herangehensweisen bei der Umsetzung.
Die Freie Wärme erachtet es als sinnvoll, mit den Akteuren vor Ort in der KWP einen offenen Dialog zu führen. Entsprechend wird sie dazu das Bündnis Kommunikationsmaßnahmen entwickeln, die für die Planungsprozesse hilfreich sind und somit die Innungen des Handwerks, Industrie und Handwerk unterstützen können.
Grundsätzlich macht es Sinn, dass sich die Kommunen einen Überblick über ihre Wärmeversorgungsoptionen verschaffen. Allerdings darf es bei einem Durchschnittsalter von über 17 Jahren bei den Heizungen nicht dazu führen, dass die dringend notwendige Modernisierungsdynamik abnimmt, weil irgendwann vielleicht ein Anschluss an ein Wärmenetz möglich sein könnte.
Die Kommunale Wärmeplanung ist sicherlich sehr hilfreich für die Kommunen. Am Ende sollten aber alle Heizungs- und Ofentechniken mit erneuerbaren Energien gleichberechtigt dort berücksichtigt werden, wo sie wirtschaftlich einsetzbar sind und im Zweifelsfall die Bürger
finanziell entlasten. Dies ist beispielsweise bei einer hybrid genutzten Holzfeuerstätte der Fall.“
Im Rahmen der KWP spielt klimaneutrale Wärme mit möglichst viel erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle. Eine Einzelraumfeuerstätte bietet als hybride Lösung zusammen mit einer Wärmepumpe einen hohen Grad an Versorgungssicherheit und sorgt bei kalten Außentemperaturen für Entlastung in jeder Hinsicht. Denn ein Einsatz des dann geringer energieeffizienten Elektroheizstabes entfällt und das an solchen Tagen oftmals schon stark ausgelastete Strom- und Wärmenetz wird entlastet.
Das Handwerk spricht sich auch im Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung gegen Anschluss- und Benutzungszwänge aus, da diese einen planwirtschaftlichen Eingriff in den Wärmemarkt darstellen. Unter den Fernwärmeanbietern beziehungsweise Wärmenetzbetreibern fehlt der marktwirtschaftliche Wettbewerb im Sinne des Verbraucherschutzes. Wärmeerzeugung, Wärmeverteilung/Netzbetrieb und Vertrieb/Verkauf liegen meist in einer Hand. Eine Liberalisierung des Marktes ähnlich wie bei Gas und Strom ist nicht gegeben.
Das Schornsteinfegerhandwerk ist „die“ Schnittstelle zwischen den Menschen und der Politik. Mit rund 200.000 Kundenkontakten pro Tag sind wir gerade in der jetzigen Zeit oft gefragt, die politischen Entscheidungen im Rahmen der Wärmeplanung und der damit verbundenen Auswirkungen zu kommunizieren. Als Fachexpert/in vor Ort kann der Schornsteinfeger beziehungsweise die Schornsteinfegerin für die Bürgerinnen und Bürger eine individuelle Lösung erarbeiten und helfen, die Wärmewende sozialverträglich zu gestalten.
Darüber hinaus bietet sich das Schornsteinfegerhandwerk als Bindeglied zwischen Planern und Kommunen an. Die Aufgabe der Erhebung bisher unbekannter Daten vor Ort könnte durch das Schornsteinfegerhandwerk erfolgen. So könnten Kehrbuchdaten um andere Wärmerzeuger erweitert und ein Wärmeerzeugerregister geschaffen werden. Haben Planer fundierte Informationen über die Art der Heizungsanlagen, die Leistung, das Alter und den verwendeten Energieträger, wird sich das auf die Qualität der Wärmepläne positiv auswirken.
Gute Wärmepläne bieten den Kommunen eine gute Entscheidungsgrundlage für die Ausweisung von Gebieten für Wärme- oder Wasserstoffnetze und für Gebiete, die sich für die individuelle Gebäudebeheizung anbieten. Nachvollziehbare Entscheidungen können den Menschen auch vermittelt werden. Zum Glück gibt’s den Schornsteinfeger!
Über die Allianz Freie Wärme
Die Allianz Freie Wärme ist ein Zusammenschluss von Initiativen, Unternehmen und Verbänden aus den Bereichen Heizen und Wärme. Die Akteure setzen sich mit Informationen und Services unter www freie-waerme.de rund um die Kommunale Wärmeplanung für moderne, individuelle Heizsysteme und das Recht der Verbraucher ein, sich unabhängig und frei für das optimale Heizsystem zu entscheiden. Hierzu gehören Wärmepumpen, hocheffiziente Hybridsysteme (Öl/Gas) unter Einbindung erneuerbarer Energien (Bio-/Synthetische Brennstoffe), ebenso wie Holz- und Pellet-Systeme, KWK-Systeme, Kamin- und Kachelöfen, Solarwärmeanlagen sowie Abgassysteme. Damit ist Freie Wärme unter marktwirtschaftlichen Aspekten das Gegenteil von unregulierten, zentralen Nah- und Fernwärmesystemen, die über Anschluss-, Benutzungszwänge und Verbrennungsverbote forciert werden und den Verbrauchern die Wahl der Wärmequelle nehmen.