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Reportage

Feuriges Herz aus Stahl

Seit Jahren schwieg die Glocke, in der Kirche wurde keine Messe mehr gelesen. Doch der Turm war immer noch da – massiv, fast schon trutzig und doch klar und elegant. Ungenutzt, nur Vögeln ein Heim. Dann entdeckte Ingrid Maria Buron de Preser, Filmarchitektin und Designerin, den verlassenen Kirchturm. „Ich habe ihn gesehen und war sofort Feuer und Flamme.“ 2014 war das. Zwei Jahre dauerten die Vorarbeiten, dann begann die konkrete Planung und 2018 erfolgte der Baubeginn.

Foto: Martin Baitinger, Böblingen /Focus

Ganz oben, in der ehemaligen Glockenstube, dominiert der
Focus-Kamin mit seinem siebeneinhalb Meter langen Rauchrohr die Raumwirkung.
Der überstreckte Raum hat eine Grundfläche von 6,5 mal 6,5 Metern, und von seinem dunklen, glatt geschliffenen Betonboden bis zur Decke sind es acht lichte Meter, die vom endlos lang erscheinenden Rauchrohr der freihängenden, offenen Feuerstelle noch betont werden.

Foto: Martin Baitinger, Böblingen /Focus

Der überstreckte Raum hat eine Grundfläche von 6,5 mal 6,5 Metern, und von seinem dunklen, glatt geschliffenen Betonboden bis zur Decke sind es acht lichte Meter, die vom endlos lang erscheinenden Rauchrohr der freihängenden, offenen Feuerstelle noch betont werden.

Gemeinsam mit ihrem Mann, dem im Sommer 2019 verstorbenen Fotografen Gerd Preser, erforscht sie den Turm und klopft ihn auf künftige Nutzungsmöglichkeiten ab, wobei sie die Idee, die dem Bauwerk zugrunde liegt, achtet. Es geht um „die Bewahrung der Schönheit“. So wird Buron de Preser ihr Umbau- und Sanierungsprojekt schließlich nennen. Im August 2018 geht es los.

Der monolithische Quader von sieben mal sieben Metern Grundfläche und 22 Metern Höhe ist fensterlos. Lediglich vier schmale Lichtschlitze verwandeln das Dunkel der Glockenstube in Dämmerung. Diese Spalten müssen verbreitert werden. Zudem ist es unumgänglich, in den anderen vier Stockwerken Fenster einzuschneiden. Die Ausweitung der Lichtschlitze auf 40 Zentimeter breite, bodentiefe Fenster ist ein beeindruckendes Unterfangen. Auf die Betonschneider folgen weitere Fachhandwerker; Fenster werden eingebaut, manche Räume mit einer Innendämmung versehen, Böden geschliffen, Elektrik- und Sanitäreinrichtungen installiert. Knifflig wird es nochmals, als der Treppenschacht eingebaut wird, er verändert die Statik des Turms und verlangt Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle.

Die Glockenstube

Der 63-stufige Aufstieg im einstigen Kirchturm ist inszeniert. Von der Erdgeschoss-Kapelle führt die Treppe durch die laubumtanzten Natur-Räume, bis man in der himmelsnahen Glockenstube steht. Der Raum hat seine sakrale Atmosphäre behalten, fast unwillkürlich spricht man gedämpft. Obwohl an die südliche Wand gerückt, verleiht der Kamin dem Raum einen Mittelpunkt. Wie die Feuerschalen antiker Tempel oder das ewige Licht in einer Kathedrale erinnert die Inszenierung an das Verhältnis des Feuers zum Sakralen.

Ingrid Maria Buron de Preser hat dieses Spiel mit dem göttlichen Funken sehr bewusst in Szene gesetzt: „Ein offenes Feuer im Haus ist für mich die Basis, der Anfang von allem.“ Mit der Firma Benz Ofenbau aus Ohlsbach fand sie einen technischen Partner, der ihre Wünsche verstand. So konnte der freihängende, drehbare Designklassiker „Gyrofocus“ auch mit einem 7,5 Meter langen Rauchrohr von der Decke abgehängt werden.

Die sinnlich geschwungenen Formen des Focus-Kamins kontrastieren die strenge kubische Architektur, wobei die Reduktion auf den puren Stahl mit dem rohen Beton korrespondiert. So wie die Glocke einst im Mittelpunkt der sakralen Nutzung des Kirchturms stand, ist der Kamin jetzt das Zentrum des profanierten Baus. Der „Gyrofocus“ stand Buron de Preser bereits vor Augen, als sie das erste Mal über die mit Vogelkot verschmierte Sprossenleiter in die Glockenstube geklettert war.

An den Arbeiten von Kamindesigner Dominique Imbert hatte ihr immer schon gefallen, dass dieser „Vision und Passion“ lebt. Dass er nie nachließ, Handwerk, Kunst und Design zu verknüpfen. Als der „Gyrofocus“ dann endlich hing und zum ersten Mal ein Holzfeuer in ihm brannte, fühlte sie sich bestätigt: „Kein anderer wäre gegangen.“

Die Kirche von St. Elisabeth wurde unter dem eigenwilligen Projekt-namen „Church-Chill“ in einen Wohnbau umgeformt.

F Foto: Martin Baitinger, Böblingen /Focus

Die Kirche von St. Elisabeth wurde unter dem eigenwilligen Projekt-namen „Church-Chill“ in einen Wohnbau umgeformt.
Da der Kirchturm im Süden und Osten von großen, alten Bäumen umwogt wird und exakt an diesen Stellen die Fenster eingeschnitten wurden, fühlt man sich in den Gästezimmern wie in einem Baumhaus. Die Räume sind zwar spärlich aber ausgesucht möbliert, wobei den Sichtachsen hinaus ins Grün große Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Foto: Martin Baitinger, Böblingen /Focus

Da der Kirchturm im Süden und Osten von großen, alten Bäumen umwogt wird und exakt an diesen Stellen die Fenster eingeschnitten
wurden, fühlt man sich in den Gästezimmern wie in einem Baumhaus. Die Räume sind zwar spärlich aber ausgesucht möbliert, wobei den Sichtachsen hinaus ins Grün große Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Die ehemalige Erdgeschoss-Kapelle. Jener Raum, der in der Vergangenheit als einziger kontinuierlich genutzt wurde, wird noch immer vom schmucklosen monolithischen Altarstein dominiert. Heute sieht aber der Raum deutlich wohnlicher aus.

Foto: Martin Baitinger, Böblingen /Focus

Die ehemalige Erdgeschoss-Kapelle. Jener Raum, der in der Vergangenheit als einziger kontinuierlich genutzt wurde, wird noch immer vom schmucklosen monolithischen Altarstein dominiert. Heute sieht aber der Raum deutlich wohnlicher aus.

Daten & Fakten

Projekt

Umnutzung eines Kirchturms

Produkte

„Gyrofocus“, freihängender und um 360 Grad drehbarer Kamin

Hersteller

Focus
www.focus-kamin-design.de

Ofenbauer

Benz, www.benz-ofenbau.de

Planung

Ingrid Maria Buron de Preser

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